Die heimlichen Treiber

von Peter Höhn

Es gehört zu den wichtigsten Lebensaufgaben, unterscheiden zu lernen, was gesunden Glauben fördert und was ihn verdirbt. Jesus nennt drei treibende Kräfte, vor denen sich seine Nachfolger ganz besonders in Acht nehmen sollten, und gebraucht dabei das Bild vom Sauerteig.

26.02.2024

Von jeher wird beim Brotbacken dem Teig aus frischem Mehl Sauerteig oder Hefe beigefügt, um den Teig zu durchsäuern, zu lockern und aufgehen zu lassen. Die Wirkung des Sauerteigs wird in der Bibel, vor allem im Neuen Testament, als Bild für zunächst unauffällige, jedoch alles durchdringende Einflüsse verwendet – und dies bemerkenswerterweise fast durchwegs im unguten Sinn. Eine Ausnahme bildet das Gleichnis vom Reich Gottes, das Jesus mit der treibenden Kraft des Sauerteigs vergleicht (Matthäus 13,33; Lukas 13,21). Allerdings könnte selbst dieses Gleichnis im negativen Sinn ausgelegt werden, doch davon später. 

 

Jesus erwähnt drei Arten von Sauerteig

«Sauerteig» steht somit für den innersten Antreiber, den regierenden «(Un-)Geist» oder das Glaubenssystem hinter dem, was ein Mensch tut oder lässt. In den Evangelien mahnt Jesus seine Jünger explizit, sich vor dem Sauerteig der Pharisäer, der Sadduzäer und des Herodes zu hüten (Matthäus 16,5-12; Markus 8,13-21; Lukas 12,1-3). Als Jesus diese Warnung ausspricht, haben seine Jünger gerade vergessen, genügend Brot als Proviant mitzunehmen und denken nun, Jesus halte ihnen das irgendwie durch die Blume vor. Aber Jesus erinnert sie im Gegenteil an die zwei übernatürlichen Brotvermehrungen, die sie vor Kurzem miterlebt hatten. Indirekt sagt er damit, dass wir uns wegen unserer Fehler nicht zu sorgen brauchen, ja, dass für unser Leben immer gesorgt werden wird, solange wir mit ihm verbunden sind. Aber auch, dass wir uns davor hüten sollten, uns selbst «Leben» zu verschaffen oder die Dinge in den Griff zu kriegen, sei es auf die Weise der Pharisäer, der Sadduzäer oder des Herodes.

 

Sauerteig der Pharisäer

Die Pharisäer waren fromme Menschen, die es wirklich ernst meinten. Sie wollten Gott gefallen, dadurch dass sie das Gesetz sorgfältigst befolgten, und Jesus hat ihnen das auch mehrfach attestiert. Gleichzeitig bezichtigte er sie der Heuchelei: Dass sie davon überzeugt waren und andere glauben machten, sie erfüllten alle von Gott geforderten Gebote, während sie für die wesentlichen Teile des Gesetzes – Barmherzigkeit und Liebe – blind waren. Ihre Gerechtigkeit entsprach dem «Dienst nach Vorschrift», aber von der weit darüber hinausgehenden Dimension des Reiches Gottes, wie Jesus sie in seinem Charakter, seinen Worten und Taten verkörperte, blieben sie unberührt, ja, sie reagierten sogar feindlich darauf.
Christen sind vor dem pharisäischen Sauerteig bis heute nicht gefeit. Wie schnell geht es mehr um das menschlich Machbare: um das richtige Glaubensbekenntnis, das Einhalten bestimmter Benimmregeln oder um das Wahren eines «christlichen» Scheins anstatt um tätige Liebe, Wahrhaftigkeit und Barmherzigkeit, wie sie nur Gottes Gnade schenken kann. 

 

Sauerteig der Sadduzäer

Die Sadduzäer waren vom hellenistischen Denken geprägte Rationalisten. Sie waren verflochten mit der Obrigkeit und der politischen Klasse und gehörten zu den Reichen, Einflussreichen und Vornehmen. Sie glaubten wohl an die fünf Bücher Mose, aber leugneten die Auferstehung von den Toten, ein Weiterleben nach dem Tod sowie die Existenz von Engeln und Geistern. Zu ihnen sagt Jesus in Markus 12,24: Ihr irrt, weil ihr weder die Schriften kennt noch die Kraft Gottes. 

Es gibt Christen, die sich über den Sauerteig der Pharisäer erhaben fühlen, dafür umso mehr von dem der Sadduzäer motiviert werden. Ihr Glaube ist mehr von politischer Korrektheit als von einer unmittelbaren Gottes- und Christusbeziehung geprägt. Sie haben einen Schein der Frömmigkeit, aber die übernatürliche, rational nicht erklärbare Dimension des Glaubens und das unmittelbare Reden Gottes ist ihnen suspekt. Auch vor dem sadduzäischen Sauerteig mit seiner Lehre und Lebenseinstellung, sagt Jesus, sollten Christen sich hüten.

 

Sauerteig des Herodes 

Warum nennt Jesus auch noch den Sauerteig des Herodes? Worauf spielt er damit an? Wenn wir betrachten, was uns in den Evangelien über den Charakter des Herodes überliefert wird, steht «sein» Sauerteig für Positionsdenken und Machtwahn, für Populismus und Gefallsucht, aber auch für die Angst vor Gesichts- und Einflussverlust. Ein weiterer Aspekt ist die Sensationsgier. Herodes möchte von Jesus einfach gerne Zeichen und Wunder sehen (Lukas 23,8). 

Jesus würde den Sauerteig des Herodes nicht erwähnt haben, wenn Christen nicht auch dafür anfällig wären. Wo sind wir selbst gefährdet, um jeden Preis für unsere Position, für unsere Macht und unseren Einfluss zu kämpfen? Wo folgen wir selbst «christlichen» Systemen, die mit Manipulation, Angstmache und Druck arbeiten?

 

Was sind meine Sauerteig-Treiber?

Wir können Christus nachfolgen und doch immer noch von gewissen Sauerteig-Einflüssen gesteuert werden. Es ist gut, sich das mahnende Wort von Jesus an seine Jünger selber zu Herzen zu nehmen und sich immer wieder mal betend zu fragen: «Was treibt mich eigentlich im Innersten an? – Wo bin ich pharisäisch, sadduzäisch, herodianisch «sauerteigig» geprägt, statt im «Ungesäuerten der Lauterkeit und Wahrheit» zu leben (1. Korinther 5,8)? Wo bin ich versucht oder unter Druck, mehr aus mir, aus meinem Dienst, aus meiner Gemeinde machen zu wollen, als was Gott uns gegeben hat (Römer 12,3)? Wo bin ich im Glauben, in meinem Wesen und Handeln hart-rechthaberisch, distanziert-abgeklärt oder überheblich-angstgesteuert geworden? 

Wie oben angetönt, lohnt sich in diesem Zusammenhang nochmals ein Blick auf das Gleichnis vom Sauerteig: Es (das Reich Gottes) ist gleich einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Mass Mehl mengte, bis es ganz durchsäuert war (Lukas 13,21). Warum erzählt Jesus dieses Gleichnis ausgerechnet als Antwort auf die Pharisäer, die ihm vorwerfen, dass er die gekrümmte Frau am Sabbat geheilt hat? Könnte es sein, dass Jesus hier den pharisäischen Sauerteig anspricht, der manchmal dem Reich Gottes täuschend ähnlich daherkommt, aber mit seiner Gesetzlichkeit und seinem Buchstabenglauben Gottes Reich mit seinen menschenfreundlichen Absichten korrumpiert?

 

«Armut im Geist» statt Sauerteig

In diesem Sinn ist es unerlässlich, dass wir ein Leben lang gut hinschauen und unterscheiden lernen, wo Menschen (auch wir selbst) «Jesus Christus» sagen, aber in Wirklichkeit vom Sauerteig getrieben sind – ob nun in Gestalt von Gesetzlichkeit, Vernunftgläubigkeit oder Machtdenken. Wenn wir in unserer Zeit nochmals tiefer erkennen und uns einklinken wollen in das, was Christus am tun ist, wird das bei allen notwendigen Debatten und Diskussionen vor allem durch Gottes Geist sowie durch Demut, Lernbereitschaft und Gebet geschehen.
Jesus hat seinen Nachfolgern schon ganz zu Beginn der Bergpredigt ans Herz gelegt, dass das Erfahren des Reiches Gottes nicht in äusserer Stärke, sondern in geistlicher Armut liegt (Matthäus 5,3), in täglicher Abhängigkeit von Gott, seiner Gnade und seinem Geist. Darum müssen wir uns nicht Sorgen machen, wann immer wir «vergessen haben, Brot mitzunehmen». Darum dürfen wir alle Angst ablegen, wo wir Dinge nicht im Griff und unter Kontrolle haben. Darum können wir getrost alle Versuche, uns selbst Leben zu verschaffen, in Jesu Hand legen. Das tun wir, indem wir in jeder Lage nach Gottes Reich und seiner Gerechtigkeit trachten, gut hinhören und erspüren, was Jesus vorhat und wo er uns wieder ein Stück mehr den Horizont erweitert darüber, was es heisst: Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer (Matthäus 9,13).

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Text // Peter Höhn Er arbeitet bei Campus für Christus als Autor, Redaktor und Referent. Er liebt es, ein lebenslang «Lernender von Jesus» zu sein und bei ihm sein ab und zu aufgewühltes Herz zur Ruhe zu bringen.
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